Waschgang

Raum- und Videoinstallation 2017

Der Titel der Raum- und Videoinstallation „Waschgang“ ist absolut konkret zu verstehen, denn es wird tatsächlich schmutzige Wäsche gewaschen. Dabei spielen in diesem Kunstwerk Verknüpfungen eine zentrale Rolle. Sowohl auf symbolischer als auch auf konkreter Ebene wird eine Verbindung zwischen zwei Orten in München geschaffen, die sich beide unweit des Hauptbahnhofs befinden, aber doch unterschiedlicher kaum sein könnten: die Galerie der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst (DG) am Hauptsitz der Siemens AG und die Pfarrkirche St. Paul, die nur wenige Meter von der Theresienwiese entfernt ist und das Bahnhofsviertel westlich abschließt.
Empfangshalle hat in und um St. Paul liegengelassene Kleidungsstücke gesammelt: Vor der Kirche Zurückgelassenes – das meiste ausrangiert von den dort in behelfsmäßigen Lagern kampierenden Tagelöhnern aus Osteuropa –, vergessene Kleidung von Kirchenbesuchern und für das Kunstwerk gespendete Kleider von Gemeindemitgliedern, sowie liturgische Gewänder der Messdiener und des Pfarrers, sodass der gesammelte Wäscheberg tatsächlich die Gesamtheit der Menschen repräsentiert, die um und in der Paulskirche arbeiten und leben.
In den Galerieräumen der DG hat Empfangshalle eine Waschmaschine installiert, in der dieser Wäscheberg nach und nach gereinigt wird. In der Trommel verlieren die einzelnen Kleidungsstücke ihre Geschichte, ihr soziales Stigma. Die in den Kleidern repräsentierten Hierarchien beginnen zu verschwinden. Der Schmutz wird von den Fasern gelöst, verdünnt, und doch durchwirkt er so auch alles Übrige. Die Kleidungsstücke werden in diesem sich drehenden Bottich alle gleich behandelt und vom selben Wasser umspült. Sie reiben sich aneinander, sie teilen sich einen Raum, in dem sie vom Schmutz ihrer sehr unterschiedlichen Gebrauchsgeschichten gereinigt werden. Und nach dem Waschgang hängen sie an quer durch die Galerie gespannten Stahlseilen zum Trocknen – eine Hotpants neben einem priesterlichen Untergewand, ein Schlafsack mit löchrigem Innenfutter neben einem Seidenschal –, sodass sie nach dem Ende der Kunstinstallation wieder benutzt werden können.
Während eines Waschgangs wurde die sich drehende Wäschetrommel gefilmt und das Video auf das kreisrunde, mächtige Rosettenfenster über dem Westportal der Paulskirche projiziert. Das Gotteshaus erscheint so als riesige Waschmaschine. Damit wird auf jene symbolische Ebene referiert, die im Zentrum aller Religionen steht: Schon immer spielte dort das Konzept von Reinheit, Unbeflecktheit eine tragende Rolle, sodass sich daraus die sich wiederholenden, genauestens einzuhaltenden Rituale der Reinigung bildeten, die von den Geistlichen vor aller Augen ausgeführt werden. In diesen liturgischen Handlungen sind Körper und Seele aufs engste miteinander verknüpft, wie auch Fragen der Repräsentation zum Wesenskern der Rituale gehören.
Auch Empfangshalle greift in der Installation all diese Fragen auf, indem sie mittels ihrer symbolischen Bildsprache das Private mit dem Öffentlichen verknüpft, das Spirituelle mit dem Konkreten, das Künstlerische mit dem Alltäglichen.

Markus Ostermair

Einzelausstellung an zwei Orten

in der Galerie der DG und in der Kirche St. Paul München

9.9.  –  11.11. 2017